Das Thema Ausrichtung bei Balkonkraftwerken ist häufig eine sehr spannende Frage und bietet genügend Zündstoff für hitzige Diskussionen. Egal ob Ost-, West-, oder Südausrichtung gibt es für jede Himmelsrichtung Befürworter oder Gegner. Aufgrund der Tatsache, dass ich bereits ein 600W Balkonkraftwerk mit südlicher Ausrichtung, fast ein Jahr in Betrieb habe, wollte ich den Ertrag durch eine ergänzende Anlage mit unterschiedlicher Ausrichtung weiter optimieren. Aus diesem Grund habe ich ausgiebig darüber nachgedacht und auch unseren täglichen Stromverbrauch analysiert.
Nach wenigen Wochen zeichnete sich ein deutlichens Bild ab und es ging an die Realisierung einer Anlage mit westlicher Ausrichtung.
Warum genau eine westliche Ausrichtung?
Dazu muss ich einmal auf unsere aktuelle Lebensweise eingehen. Aufgrund der Tatsache, dass ich mich Vollzeit im Homeoffice befinde, sowie meine Frau mit den Kindern zuhause ist, haben wir Tagsüber einen konstant hohen Strombedarf. In Zahlen kommen wir selten unter 400 Watt wenn alle zuhause sind. Letztlich auch der Tatsache geschuldet, dass der Flaschenwärmer dauerhaft läuft, einmal am Tag eine Waschmaschine gewaschen wird oder mein PC inkl. Zubehör einiges an Strom verbraucht. Dieser Tatsache geschuldet, befindet sich unsere erste Anlage ausschließlich in südlicher Ausrichtung.
Ab 17 Uhr sinkt der Verbrauch dann eine Stunde deutlich ab, bis er gegen 18 wieder hochschnellt. Typischerweise beende ich in den meisten Fällen gegen 17 Uhr meine Arbeit und wir machen etwas mit den Kindern oder gehen ins Freie. Ab 18 Uhr beginnt dann der typische abendliche Ablauf, Kinder baden, Essen vorbereiten und so weiter. Im Durchschnitt verbrauchen wir damit 8-10 kWh am Tag, was je nach Jahreszeit mal mehr mal weniger sein kann. Als Diagramm sieht das ganze wie folgt aus.
Abdeckung durch das Balkonkraftwerk SÜD
Nachdem ich den Verbrauch ermittelt hatte, interessierte mich wieviel kann mein vorhandenes Balkonkraftwerk abdecken. Abhängig von der Jahreszeit variiert die Abdeckung enorm. Entsprechend habe ich mir die Sommermonate genauer betrachtet, da in denen die Anlage am meisten produziert. Dabei konnte ich auf die Werte aus der Enverbridge zurückgreifen und einfach die Erträge beider Wechselrichter zusammenrechnen.
Beispielsweise war der 15. Juni 2022 ein klassischer Sommertag mit blauem Himmel und ein paar Wolken. Entsprechend perfekt für die direkte Gegenüberstellung des Ertrags und unseres Verbrauchs. Ab 4:30 Uhr begann die Anlage damit den ersten Strom zu produzieren und somit die Wechselrichter zu versorgen. Ungefähr 10 Minuten später wurden die ersten Watt ins Hausnetz eingespeist. Durch unsere bauliche Umgebung wandert die Sonne um unsere Nachbarhäuser bis ca. 7:11 und beginnt danach die Anlage direkt zu bescheinen. Der Ertrag steigt anschließend konstant bis 12 Uhr nachmittags an und erreichte an diesem Tag 490 Watt. Teilweise erreicht die Anlage an anderen Tagen auch die 600 Watt Grenze. Anschließend nimmt der Ertrag rapide ab, da die umliegenden Bäume das Balkonkraftwerk teilweise verschatten. Gegen 15 Uhr bricht der Ertrag bis auf 40 Watt ein, da die Sonne ums Gebäude gewandert ist und die Anlage sich im Schatten befindet. Insgesamt kann die Anlage an guten Tagen durchschnittlich 3 – 3,5 kWh erzeugen.
Als ich unserem Stromverbrauch und die Erzeugung unseres Balkonkraftwerks in einem Liniendiagramm übereinandergelegt habe, ist gut zu erkennen, das die südliche Ausrichtung für uns perfekt ist.
Stromverbrauch ab 14 Uhr
Durch unsere Umgebung und der damit verbundene Einbruch des Solarertrags habe ich mir folgende Frage gestellt: Kann ich mit einer weiteren Anlage eine längere Abdeckung unseres Stromverbrauchs erreichen? Dadurch, dass ich im direkten Vergleich zwischen den Morgen- und Abendstunden deutlich wird, dass der Verbrauch abends höher ist als am Morgen, dort das höhere Einsparpotenzial besteht.
Bekanntermaßen geht die Sonne im Westen unter und wie es der Zufall so will, unser Balkon an der Westseite des Hauses ist, passt der Begriff Balkonkraftwerk diesmal wie die Faust aufs Auge. Obendrein bietet der Balkon auch ausreichend Platz für zwei Solarmodule. Entsprechend ist die Entscheidung für eine Ausrichtung gegen Westen gefallen.
Vor- und Nachteile der westlichen Ausrichtung
In meinem Beispiel ist der Vorteil klar in einer längeren Erzeugungsphase und der damit verbunden Reduzierung unseres Stromverbrauchs am Tag. Wobei man gleichermaßen auch so realistisch sein muss, dass die Reduzierung erst in den Sommermonaten spürbar wird. Gerade in den Quartalen Q4 & Q1 in welchem die Sonne immer kürzer zu sehen ist, wird eine westliche Anlage kaum mit Sonne bestrahlt und liefert entsprechend wenig Strom. Darauf gehe ich folgenden noch genauer ein.
Insofern die baulichen Gegebenheiten keine andere Installation als gegen Westen zulassen ändert sich der Blickwinkel. Denn dann ist die Ausgangsfrage wie man seinen Stromverbrauch reduzieren kann. Entsprechend ist jede gesparte Kilowattstunde in der aktuellen Zeit eine Entlastung des Portemonnaies. Wie hoch die Ersparnisse insgesamt sind, kommt auch hier wieder auf jeden einzelnen an. Insofern ihr überwiegen abends am meisten Strom verbraucht rechnet sich eine Anlage gegen Westen schneller als gegen Süden oder Osten.
Da der klassische deutsche Haushalt den meisten Strom morgens und abends verbraucht, empfiehlt sich eine Aufteilung gegen Osten und Westen. Zurückzuführen ist das Ganze auf die Tatsache, dass die meisten von uns Tagsüber ihrem Beruf nachgehen und neben der Grundlast keinen weiteren Verbrauch verursachen. Die spannende Frage ist, ob sich die Vor- und Nachteile gegenseitig aufheben? Hier würde ich euch bitten mir einfach einen Kommentar mit eurer Meinung dazulassen, da ich abschließend keine Antwort für mich gefunden habe.
Informationen zur Anlage
Kommen wir einmal zur Anlage. Die Anlage besteht aus insgesamt zwei Modulen mit je 165 Watt Leistung und einem Envertech Wechselrichter dem EVT300. Die Entscheidung zu zwei Modulen anstatt zu einem Leistungsstärkeren beruht auf mehreren Faktoren. In erster Linie wollte ich die Module nicht über die Brüstung hängen, sondern direkt in das Geländer integrieren. Dadurch, dass die Modulmaße perfekt in unsere vorhandene Grundstruktur passten, musste ich nur die äußeren Stangen entfernen und konnte die Module einschieben. Auf der Rückseite habe ich die Module einfach in den vorhandenen Bohrlöchern mittels Aluminiumwinkel verschraubt. Den Wechselrichter habe ich diesmal direkt auf der Rückseite eines Moduls befestig und beide Module daran angeschlossen. Die Neigung beider Module beträgt exakt 90°.
Bisherige Erträge
Kommen wir zur spannenden Frage… Was hat die Anlage bisher erwirtschaftet? Die Anlage ist pünktlich zum 1. Januar 2022 in Betrieb gegangen. Entsprechend konnte ich das gesamte erste Halbjahr mit der Anlage uneingeschränkt Strom erwirtschaften. Insgesamt wurden in den ersten sechs Monaten 103,91 kWh erzeugt, was bei einem durchschnittlichen Strompreis von 0,34€ die Kilowattstunde, eine Ersparnis von 35,55€ bedeutet.
Januar | Februar | März | April | Mai | Juni | |
Ertrag | 3,1 kWh | 7,47 kWh | 17,77 kWh | 19,64 kWh | 27,64 kWh | 28,29 kWh |
Bester Ertrag im Monat | 0,31 kWh | 0,64 kWh | 0,79 kWh | 1,25 kWh | 1,33 kWh | 1,25 kWh |
Ertrag in Euro | 1,05€ | 2,54€ | 6,04€ | 6,68€ | 9,40€ | 9,62€ |
Fairerweise ist zu erwähnen, dass im ersten Quartal kaum Erträge zustande gekommen sind, dies ist der Tatsache geschuldet, dass im Winter die Sonne deutlich früher untergeht und die Module kaum bis gar nicht von der Sonne bestrahlt werden. Aus diesem Grund kamen im ersten Quartal 28,34 kWh zusammen. Im Vergleich wurden im Juni 28,29 kWh erzeugt was deutlich zeigt, wie groß die Auswirkung einer direkten Bestrahlung der Abendsonne ist. Der Vollständigkeit halber kamen im zweiten Quartal 75,57 kWh zusammen und der aktuelle Tagesrekord wurde im Mai mit 1,33 kWh erreicht. Wenn ich jetzt einmal den direkten Vergleich zu einem Modul mit südlicher Ausrichtung und der neuen Anlage ziehe, sind die unterschiedliche deutlich zu sehen. Dazu ist zu erwähnen, dass die Anlage neben dem anderen Neigungswinkel von 60° auch die meiste Zeit des Tages von der Sonne bestrahlt wird. Hinzu kommt auch, dass es sich dabei um ein 310 Watt Modul handelt. Insgesamt kamen im selben Zeitraum 176,33 kWh zusammen, was umgerechnet 59,95€ sind.
Kommen wir noch einmal darauf zu sprechen, welchen Einfluss die Anlage auf unseren Stromverbrauch hat. Im Diagramm wird deutlich, dass wir den Stromverbrauch deutlich länger durch die zusätzlichen 330 Watt reduzieren können. Gerade die Abendstunden und das die Sonne teilweise erst gegen 22 Uhr untergeht macht sich auf dem Stromzähler bemerkbar.
Fazit
Für die Ausrichtung eurer Anlage gibt es keine Blaupause bzw. kein Handbuch was euch die beste Lösung auf dem Silbertablett serviert. Entsprechend liegt es an euch die Beste Ausrichtung selbst zu ermitteln. Dazu empfehle ich jedem seinen Alltag einmal für mehrere Wochen bzw. Monaten zu analysieren. Nur wenn ihr euren Stromverbrauch kennt und auch die Lastspitzen identifiziert habt, könnt ihr das Beste aus eurer Anlage herausholen.
In unserem Fall war die ergänzende westlich Ausrichtung eine gute Ergänzung zur Bestandsanlage mit südlicher Ausrichtung. Natürlich kann man weiterhin eine Optimierung vornehmen mit einem anderen Neigungswinkel, einer weiteren Anlage für die Morgenstunden im Osten und vieles mehr. Wichtig ist mir, dass ihr meine Aussage nicht als 100% für euch zutreffend nehmt, denn es gibt viele Faktoren, die auf den Ertrag einen riesigen Einfluss haben. Deshalb an dieser Stelle den Hinweis, dass ihr euch auch andere Beiträge zum Thema ansehen sollten, denn es gibt mit Sicherheit Anlagen, welche deutlich mehr oder weniger Ertrag erwirtschaften.
Video
Die Gesamte Auswertung könnt ihr euch auch als Video auf meinem Youtube-Kanal ansehen.
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Mehr Informationen
Moin,
Kannst du einmal bitte mit mir kontakt aufnehmen? Ich habe eine Frage zu deiner Zusammenstellung für die Westvariante. Bin auch auf der Suche nach zwei kleineren Modulen ungefähr in der Größe wie deine und einem Passenden Wechselrichter. hatte gelesen, das der EVT300 bei einigen Probleme macht.
Würde da gerne einmal Erfahrungen austauschen.
Danke
Viele Grüße
Markus
Hi Markus,
schreib mir doch einfach eine Mail an anfragen@digitaldad.de. Dann können wir uns gerne zum Thema austauschen.